Constable, Dedham Lock and Mill
Erfahrung in spät moderner britischer Literatur
Ich habe oft mein Bedauern darüber ausgedrückt, dass Aristoteles nicht die Beziehung zwischen der Bedeutung des Poetischen oder Universalen und der Bedeutung des Partikulären diskutiert hat.
Sage ich ein einzelnes Ding, so sage ich es vielmehr ebenso als ganz allgemeines, denn alle sind ein einzelnes Ding; und gleichfalls dieses Ding ist alles, was man will.
Streng bedacht, was ist all das Wissen… wenn nicht aufgezeichnete Erfahrung und ein Produkt der Geschichte; deren wesentliche Materialien deshalb Argumentation und Glaube sind, nicht weniger als Handlung und Leidenschaft?
Obwohl gnomische Elemente im Überfluss vorhanden sind, ruht die westliche Tradition der Weisheit auf dem Fundament der Erfahrung, im Gegensatz zur Vedischen oder Konfuzianischen Tradition. Die Bibel erzählt nicht weniger als die Odyssee eine Geschichte. Beide Texte handeln von gewöhnlichen Menschen, gottähnlichen Menschen und einem Gott oder Göttern. Von den letzteren sagt Jenny Strauss Clay, sprechend über sie, wie sie in den homerischen Gesängen erscheinen, “Ihre Handlungen, Vorrechte und Epiphanien können zeitlos genannt werden - nicht jedoch in einem Sinne, dass sie jenseits oder ausserhalb der Zeit sind, sondern nur insoweit, wie ihre einzigartigen Manifestationen ununterscheidbar von ihren ewigen sind.” Wir könnten die Debatte zwischen dem Partikulären und dem Universalem umformen, um einen mittleren Begriff einzubeziehen, den Helden oder Halbgott, jemand, der zugleich einmalig und ewig ist, zugleich konkret und abstrakt, zugleich besonders und allgemein, zugleich partikulär und universal. “Den Mann nenne mir, Muse,” beginnt Homer, in Schadewaldts Version, “den vielgewandten, der gar viel umgetrieben wurde, nachdem er Trojas heilige Stadt zerstörte. Von vielen Menschen sah er die Städte und lernte kennen ihre Sinnesart; viel auch erlitt er Schmerzen auf dem Meer in seinem Gemüte . . .” Obwohl “andra ” das erste Wort des Originaltextes, ein menschliches Subjekt bezeichnen könnte, vermittelt Homers Erzählung eigentlich zwischen Menschen und Göttern, ein Prozess, in dem der “gottähnliche” Odysseus zentral ist. Sein Plündern von Trojas heiliger Zitadelle sagt den historischen Sieg einer sekulären, demokratischen und vielfältigen Ordnung über eine heilige, hierarchische und singuläre Ordnung voraus. Odysseus ist nicht der Mann eines Weges, sondern mehrer. An anderer Stelle wird er “polymetis ” von vielen Gedanken, hier wird er “polytropon,” vielgewandt, genannt. Westliche Literatur fängt auf der Strasse an, weit entfernt von zu Hause (in Troja) oder auf einem gewundenen Weg zurück (nach Griechenland). Odysseus ist ein Mann von vielen Erfahrungen oder hat viel Erfahrung, um dem Terminus zu entsprechen, den Locke auf seiner tabula rasa verwendet und als bestehend aus Sinneseindrücken definiert (“Von vielen Menschen sah er die Städte”), den Kant als geistiges Konstrukt neu formulieren wird (“und lernte kennen ihre Sinnesart”). Da er seine Reise nicht gewählt hat, die unter einem unglücklichen Stern steht, ist Odysseus “getrieben” (“fato profugus ” wie Vergil über Aeneas sagen wird). Da er getrieben ist, “planchthe ” (von einem Verb, das verleiten oder irreführen bedeutet), wird er natürlich zu weiten Reisen gezwungen. Homer ist sowohl metaphorisch als auch wörtlich: Der erfindungsreiche Mann reist auf viele Arten. Wie Adam ist er unser erster Mann der Erfahrung, er fällt zuerst von der Einheit in die Duplizität, dann in die Multiplizität.
Er leidet an realen physischen Schmerzen, “algea,” aber durch seinen “thymos,” seinen Geist, werden sie zu seiner Erfahrung der weiten See. Auf diese Art wird die aktuale Erfahrung in philosophische Erfahrung verwandelt oder wir könnten einfacher sagen, sinnliche Erfahrung führt zu akkumulierter Erfahrung. “Von vielen Menschen sah er die Städte,” sagt Homer wörtlich, dadurch definiert er den Helden seines geographischen Epos’ als den ursprünglichen Universalisten. Obwohl die Erwähnung der “Städte” sonderbar ist, weil wir aus der Erzählung nicht erinnern können, dass er auf seinen Streifzügen viele besucht hat. Vielleicht ist Homer erneut metaphorisch: “Städte” steht für die verschiedenen Zivilisationen, die Odysseus kennengelernt hat.
Dieser Held ist ein Wandervogel - doch weniger durch Neigung als durch Zufall. In den Büchern 9-12 gibt Odysseus uns und den Phäaken einen Bericht seiner Wanderungen. Die Odyssee ist die erste westliche Erzählung, die eine weitere Erzählung beinhaltet, eine Geschichte, die sich uns bei der Reflexion als sowohl unglaubwürdig (ein Mann mit einem Auge in der Mitte seiner Stirn?) als auch wohlüberlegt allegorisch erweist (Circe verwandelt Odysseus’ lüsterne Gefährten in Schweine). Odysseus ist, wie wir aus anderen widersprüchlichen Geschichten wissen, die er über sich erzählt, ein notorischer Schwindler. Ist Homer nicht auch ein Schwindler und hängt nicht Odysseus Erfahrung mit der Homers irgendwie zusammen? In einem früheren Aufsatz habe ich vorgeschlagen, dass Homer, wie Odysseus, eine wohlüberlegte Allegorie komponiert. Dorothy Sayers, die ich dort zitire, definiert diese Methode als “die Interpretation der Erfahrung mittels Vorstellungen.” Ist die Allegorie der Odyssee dann, wie Odysseus’ eigene, ein Beweis, dass die Literatur auf Erfahrung beruht? Oder beruht alle Literatur auf Erfahrung? Wie müssen wir die Erfahrung begrenzen, sie also definieren?
Auf jeden Fall ist Homer, wie wir gesehen haben, kaum naiv. Odysseus’ lügnerische Darstellungen von sich selbst in Ithaka (Büchern 13-16) verlangen von uns zu bedenken, ob Geschichten von Erfahrung geformt werden oder ob Erfahrung von Geschichten geformt wird. Als er seine eigene Geschichte zum moralischen Abschluss bringt (Büchern 17-24), stellt Homer die implizite Behauptung auf, dass, weit davon entfernt, ein Feind von Wahrheit oder Wissen zu sein, seine Fiktion ihr Vehikel ist. Zu diesen Punkten könnte keiner in grösserer Übereinstimmung stehen als Vergil, der in gewissem Sinne bloss rekapituliert und dadurch verstärkt, was Homer gesagt und getan hat.
Deswegen verkörpert Vergil in seinem Aeneas nicht nur die Erfahrung eines Odysseus, sondern auch die eines Hektors, Achilles’, Paris’ und anderer; nicht nur die Erfahrung von Troja, sondern auch von Rom. Er verbindet in dieser Figur nicht nur fiktive, sondern auch historische und universelle Erfahrung miteinander. Als Ursprung der gesamten Erfahrung seines Publikums führt er es zum Fall von Troja zurück, so wie Moses sein Publikum dahin zurückgeführt hat, dass ihr Ursprung der Sündenfall ist. Beide Allegorien kulminieren in Tränen, visualisiert in Masaccios “Vertreibung von Adam und Eva” oder in Vergils “lacrimae rerum.” Beide Bilder sind Embleme akkumulierter Erfahrung.
In den dreizehn Jahrhunderten zwischen Vergils Aeneis und Dantes Komödie erlebt die Literatur der Erfahrung wenig Entwicklung. Die Gegenwärtigkeit der ersten Person in den späten klassischen Erzählungen verschwindet, nur um durch den Florentiner wieder belebt zu werden, dessen sehr verschiedene Art eines heiligen Epos uns nichtsdestotrotz wie das klassische eine Geschichte der kollektiven Erfahrung innerhalb eines wohlüberlegten klassischen Programmes anbietet. Nicht weniger als Odysseus ist Dantes Held - er selbst - eine Everymanfigur. Auerbach bemerkt, dass in seinen Abenteuern “menschliche Vorsehung und die Geschichte der Welt einmal mehr ein Objekt dichter und zwingender Erfahrung werden, da in diesem grossartigen Drama der Erlösung jeder Mann handelnd und lebend gegenwärtig ist; er ist direkt in alles involviert, das geschehen ist und jeden Tag geschieht.”
“Alles, das geschehen ist,” - wenigstens für den Historiker ein anspruchsvolles Gebiet. Wie Carlyle, ein Kenner der Erfahrung und ein beeindruckender Historiker bemerkt: “Noch der begabteste Mann kann nur die Reihenfolge seiner eigenen Eindrücke beobachten und sie lediglich aufzeichnen: seine Beobachtung muss deshalb seukzessiv sein, um nicht noch mehr über ihre andere Unvollkommenheiten zu sagen, während doch die Ereignisse simultan geschahen; die vergangenen Ereignisse geschahen nicht als Reihenfolge, sondern bildeten eine Gruppe.” Am Beginn des sechzehnten Jahrhunderts wird Dantes grosser Nachfolger Ariosto dieses Problem der Fiktion so angehen, indem er die Episoden verwebt, so dass sie simultan erscheinen. In der Zwischenzeit befreit uns seine überragende Konzeption von Zeit und Raum, diesen Koordinaten kantischer Erfahrung, auf dieselbe Art, wie es Dantes Kosmologie tat, sich darauf stützt, als ob es eine Konzeption von Gott wäre.
Jedenfalls wird es dem neunzehnten Jahrhundert überlassen bleiben, erneut das Verhältnis von Erfahrung und ihres ultimativen Konzepts, der Geschichte, in einer Theorie zu definieren, die ich später im Detail aufgreifen werde und hier bloss verkörpere durch ein Zitat von Emerson: “Dieser menschliche Geist schrieb Geschichte und nur der muss sie lesen. Die Sphinx muss ihr eigenes Rätsel lösen. Wenn die gesamte Geschichte in einem Menschen enthalten ist, kann alles aus individueller Erfahrung erklärt werden.” Wenn wir die Betrachtung der Romantik abgeschlossen haben und einige Schlussfolgerungen darüber gezogen haben werden, wie deren Theorie der Geschichte durch den von Kant in Bewegung gesetzten philosophischen Idealismus beeinflusst worden sein könnte, werden wir in einer besseren Position sein, um sagen zu können, was über Erfahrung und ihr Verhältnis zur Geschichte gesagt werden muss, das ist individuelle Erfahrung und ihr Verhältnis zu kollektiver Erfahrung.
Um wieder zu Dante zurückzukehren: In gewissem Sinne und in Übereinstimmung mit Auerbachs Beobachtung, macht er aus etwas Persönlichem etwas Historisches; aus seiner eigenen Besonderheit etwas Universales - genau wie er die aktuale Maria in die ewige Beatrice umgestaltet. Indem er dies tut, sagt er voraus, dass die spätere Grundlage westlicher Zivilisation die individuelle Erfahrung ist. Aber in einem anderen Sinne behält er die ältere Sichtweise bei, von Aristoteles über Aquin, dass das Partikuläre (der Mensch) nichts als ein Teil des Universalen (Gott) ist, dass “Einheit, ” wie er uns in De Monarchia erzählt, “die Grundlage des Guten ist und die Vielfältigkeit die Grundlage des Bösen.”“Wir können sehen,” fügt er später hinzu, “dass Sünden Verzweifeln und Verlassen der Einheit für die Vielfältigkeit ist.” Wir erinnern uns, dass Homer, nachdem er die Vielfältigkeit der Erfahrungen von Odysseus zusammengefasst hat und seinen Kampf, nicht nur sein Leben, sondern auch das Leben seiner Gefährten zu retten gelobt hat, beginnt sofort, die Geschichte ihrer Erbsünde zusammen zu fassen: “Auch wenn er nicht seine Gefährten retten konnte, obwohl er sich stark bemühte; wurden sie durch ihren eigenen wilden Leichtsinn zerstört, Narren, die die Ochsen von Helios, des Sonnengottes, verschlangen, und er den Tag ihrer Heimkehr fortnahm.” Dante kannte Homer nur durch Vergil und andere Vermittler, aber er sah zweifellos die Parallele zur christlichen Lehre. Selbst ein Mann vieler Wege, der in einem dunklem Wald wandert, sucht er den schmalen Pfad der Tugend, für den Fall, dass auch er, getrieben von seinen Sünden, gezwungen sein sollte, von ihm abzuweichen.
Innerhalb dreier Jahrhunderte war die italienische Renaissance zu einer Fülle von Selbstdarstellungen und individuellen Bewusstseins aufgeblüht, die nicht einmal Dante hätte vorhersehen können. “Ich halte mich so gut ich kann,” sagt Castiglione, “daran gebunden, alle meine Anstregungen dahin zu lenken, diese helle Erinnerung vor der menschlichen Vergesslichkeit zu bewahren und durch mein Schreiben für die Nachwelt lebendig zu machen.” Dante konnte, obwohl er sich der Vergangenheit genauso bewusst war wie der Zukunft, sich kaum vorgestellt haben, dass er sich allein auf sich selbst verlassen hätte. In Castigliones Satz ist etwas Neues in das westliche Bewusstsein eingedrungen: Die Vorstellung, dass wir schreiben, ja schöpferisch tätig sind, um unsere Erfahrung zu bewahren. Mit einem Streich der Feder kam es, dass paradoxerweise unsere Erfahrung zwar von unserem Schreiben abhängig ist und doch wichtiger als es zu sein scheint. Dies wird zu einer bedeutsamen Entwicklung gegen Ende des Jahrhunderts führen, nicht in Italien, aber in Spanien.
Wie Vergil erfindet der anonyme Autor von Lazarillo de Tormes einen Helden, der aus seiner Heimat fortgeht und niemals wieder zurückkehrt. Auf der Strasse durchlebt er eine harte Schule und erhält dadurch eine moralische Erziehung. Im Gegensatz zu Vergil ist es Lazarillo selbst, der seine Geschichte aufzeichnet, in Erweiterung der Odysseeischen Selbsterzählung, die Aeneas kurz imitiert. Die Selbstautorschaft des picaró wird die Fundamente der westlichen Fiktion, und nicht zu vergessen, der Theologie, neu definieren. Denn wir haben Erfahrung nur, dies impliziert der pikareske Autor, wenn wir über sie schreiben. Lazarillo, der als Heranwachsender von einem bereits vaterlosen Zuhause aufbricht, um schliesslich Schriftsteller zu werden, erschafft eine Autorität, die ihm fehlte, eine, die er in Meister, Priester, Gott und anderen Vaterfiguren gesucht hatte. Die tatsächliche Gestalt der Erfahrung, durch das Aufzeichnen seiner Abenteuer wird er ein Meister der Erfahrung, ist ein Amalgam aus Leben und Kunst der kantinischen Begriffe Objekt und Subjekt, die er präfiguriert. Aber indem er zu einem Wissen über Erfahrung gelangt, gelangt er auch in einem gewissen Sinne zu einem Wissen über Gott, des ultimativen Autors. Hier prophezeit er die Krise des Glaubens.
Als literarisches Ausgangsmaterial kehrt das picaró in den folgenden Jahrhunderten mit steigender Regelmässigkeit wieder, ersetzt allmählich seine klassischen heroischen Gegenspieler, bis diese Philosophen-Kritiker der Natur, des Ichs und ihrer Wechselwirkung, Locke, Hume und Kant, beginnen, aus dieser philosophischen Signifikanz einen Sinn zu machen. Nicht aus Zufall betreiben Defoe, Smollet und die Erfinder des Bildungs- und Erziehungsromans zur gleichen Zeit ihr Geschäft. Schliesslich verschwören sich Romanschriftsteller und Kritiker, um das picaró respektabel zu machen, so wie es und seine Erzählung sich in dem Entwicklungs- und Künstlerroman herausbilden. Joyces Portrait of the Artist as a Young Man vervollständigt diesen Prozess der Introspektion. Noch wird dessen Autor nach Hause zurückkehren, ausser in seiner Vorstellung.
Im selben Zeitraum wurde ein anderer Aspekt der Erfahrung - expérience, wie die Franzosen sie nennen - bekannt: “Experiment,” um den Begriff auf eine zweite Art zu übersetzen. Denn in der Zeit, in der LeSage das Prinzip des picaró formalisiert hat, hat Bacon das empirische Prinzip der experimentellen Wissenschaften definiert. Akkumulierte Erfahrung und experimentelle Evidenz gehen Hand in Hand. Warum aber beschloss Kant, seine Erfahrung Erfahrung zu nennen? Natürlich weil er deutsch ist, aber auch, weil er zu einem neuen Verständnis gekommen ist, aber auch, weil er zu einem neuen Verständnis gekommen ist: “Nur in der Erfahrung,” sagt er, “ist die Wahrheit.” Wahrheit ist folglich nicht in der Wissenschaft, sondern auf der Strasse zu finden. (Erfahrung kommt von fahren, reisen). Doch ist die wissenschaftliche Erfahrung nur bekannt, wenn sie aufgezeichnet wird in eine Form, die experimentell repliziert werden kann. Dementsprechend hat unsere neue Art der Literatur, die wir manchmal “experimentell” nennen, wie die Wissenschaft ihr eigentliches Ziel in der Entdeckung neuer Realitäten, neuer Prinzipien und neuer Welten. Unser Zeitalter ist ein Zeitalter der Entdeckungen, in der Literatur nicht weniger als im Weltraum und in der historischer Zeit. Doch bevor wir in der Gegenwart ankommen, sollten wir erst zu unserem Hauptthema zurückkehren, der Literatur der Erfahrung im spät modernen Britannien.
“So wie die wahre Methode der Erkenntnis das Experiment ist,” sagt Blake, “muss die wahre Kraft des Wissens die Kraft sein, die Erfahrungen macht. Diese Kraft,” beschliesst er, “werde ich betrachten.” Indem er so spricht, verbindet Englands berüchtigster Visionär Wissenschaft mit gewöhnlicher Sinneserfahrung. Wenn wir sorgfältiger seine Sprache untersuchen, bemerken wir, dass “Methode” die Metapher des Weges enthält (meta - nach; hodos - Weg). Falls Blake auf dem Weg zur empirischen Wissenschaft zu sein scheint, jedenfalls nicht auf diese Art; “Die Wahrnehmungen der Menschen,” behauptet er, “sind nicht an die Organe der Wahrnehmung gebunden; sie nehmen mehr wahr, als ein . . . Sinn entdecken kann.” Indem er religiöse Vision mit Erfahrung verbindet, hat Blake in einem gewissen Sinn Wissenschaft mit Religion verbunden und so eine weitere moderne Entwicklung prophezeit. Als Dichter dichtet er Lieder der Unschuld und Lieder der Erfahrung so wie er auch Lieder der Erfahrung und der Unschuld miteinander verbindet. “The Tyger,” sein berühmtestes Gedicht, veranschaulicht diese Verschmelzung, die die religiöse Unschuld seiner Vision mit seiner Erfahrung der empirischen Welt verbindet. Seine prophetischsten Bücher entwickeln lediglich diese Tendenz, setzen den mental Reisenden auf einen Weg, der, wie Dantes, Himmel und Hölle verbindet, um schliesslich in einer neuen Verbindung zu enden, einem wieder erbauten Jerusalem “in Englands grünem und angenehmen Land.”
Wordsworth und Blake teilen, obwohl sie sich sonst auf viele Arten unterscheiden, eine grosse Gemeinsamkeit: Das Prinzip der Erfahrung. Wie Blake “reiste Wordsworth unter unbekannten Menschen” (seine Reise war im Gegensatz zu Blakes eine wirkliche), kehrte zurück über “ein englisches Feuer” zum “letzten grünen Feld,” ein pastoraler topos persönlicher Reminiszenz, eine Art platonischer anamnesis, da Wordsworth wie Blake, Milton, Spenser und vielen anderen vor ihm, Plato viel verdankt. Seine Erfahrung ist deswegen dreifach: aktuale Erfahrung, kantische Erfahrung und eine platonisierte Erfahrung, die sich von Kants unterscheidet, da sie so stark von der Erinnerung abhängt. Plato hatte gesagt, dass sich die aktuale Welt von der idealen ableitet. Wordsworth kehrt Plato einfach um: die ideale Welt, sagt er, hängt von der aktualen ab. In der Praxis sind beide Theorien Arten von Idealismus. Dass Wordsworth über Erfahrung auf diese Art dachte, ist bezeugt in einer Bemerkung, die er über seine eigene Immortality Ode machte: “Da mag es nicht schaden,” schrieb er einem Freund, “hier besondere Gefühle öffentlich zu machen oder Erfahrungen meines eigenen Verstandes, auf denen die Struktur des Gedichtes teilweise ruht.” Erfahrung ist für Wordsworth mental, er ist nicht weniger als Blake ein “mental Reisender.”
Ausser Keats sind alle grossen englischen Romantiker Platoniker. Wenn er fragt “Whither is fled the visionary gleam? Where is it now, the glory and the dream?” könnte Wordsworth im Interesse von ihnen allen sprechen. Da Wordsworth nämlich nicht wie Blake so minutiös in einem Sandkörnchen oder wie Shelley, so leichthin wie der Westwind, in einem Narzissenfeld oder präziser, in seiner anamnesis des Feldes, eine andere Welt und das sie belebende Prinzip sehen kann. Sogar die Ziele von The Prelude, ein mutmassliches Werk über gewöhnliche Erfahrung, sind durch eine Vision des Absoluten definiert (I, 261-266):
This is my lot; for either still I find
Some imperfection in the chosen theme;
Or see of absolute accomplishment
Much wanting, so much wanting, in myself
That I recoil or droop, and seek repose
In listlessness from vain perplexity…
Wie die von Blake sind die Lektionen, die Wordsworth von der Natur gelernt hat, häufig universal, genau wie die, die er und sein Gefährte sorgfältig studiert haben, als sie den Simplon-Pass überquert haben (VI, 544-548):
With such a book
Before our eyes we could not chuse but read
Lessons of genuine brotherhood, the plain
And universal reason of mankind,
The truths of Young and Old.
Die Besonderheiten der Natur sind nicht so sehr die Details der individuellen Erfahrung als die ewigen Symbole eines heiligen Textes, der zu dem Dichter spricht (VI, 633…642):
As if a voice were in them . . . (they)
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Were all like workings of one mind, the feature
Of the same face, blossoms upon one tree,
Characters of the great Apocalypse,
The types and symbols of Eternity,
Of first and last, and midst, and without end.
Es ist natürlich nicht der reine und einfache Plato, sondern ein christianisierte Plato, der Wordsworth informiert, wie er schon Dante, Ariosto, Tasso, Spenser, Milton und andere informierte, bevor die Romantiker den Schauplatz betraten. Aber genau wie Plato durch das Christentum umgeformt wurde, wurde die christliche Lehre durch Plato umgeformt. Die Beziehung ist reziprok.
Dass Wordsworth’ Vision der Erfahrung platonisch ist, ist nirgendwo expliziter dargelegt, als in seinem Verzeichnis zu The Recluse, dem grossen Plan für sein magnum opus (1-9):
On Man, on nature, and on Human Life,
Musing in solitude, I oft perceive
Fair trains of imagery before me rise,
Accompanied by feelings of delight
Pure, or with no unpleasing sadness mixed;
And I am conscious of affecting thoughts
And dear remembrances, whose presence soothes
Or elevates the Mind, intent to weigh
The good and evil of our mortal state.
Die christliche Lehre vom Guten und Bösen wird erst dann beschwört, nachdem ein reiner Zustand des platonischen Geistes erreicht wurde. “And if with this,” fährt er fort (93-99):
I mix more lowly matter with the thing
Contemplated, describe the Mind and Man
Contemplating; and who, and what he was -
The transitory Being that beheld
This vision; when and where, and how he lived; -
Be this labour useless.
Das Königreich, das er anstrebt, ist das von Platos Ideen, nicht das der kantischen Erfahrung. Obwohl seine Terminologie und seine Verfahren oft für die des deutschen Idealismus gehalten werden, ist er weniger ein Poet der philosophischen Erfahrung, durch die er repräsentiert wurde, als der unvollkommene Vorläufer eines Shelleyanischen Ideals.
Ich habe ausführlich Wordsworth zitiert, um meine Behauptung zu stützen. Coleridge werden wir etwas kursorischer betrachten. Der Idealismus in seiner Prosa wurde häufiger bemerkt als der in seinen Gedichten. Aber “Frost at Midnight” zeigt einen mystischen Zug, der sich von seiner Darstellung der Erfahrung her eindrängt. Zu seinem Säugling, von dem grübelnden Dichter an dessen Seite in den Schlaf gewiegt, spricht er die Hoffnung aus, dass ‘thou,’ im Unterschied zu ihm und seiner eigenen frühen Erfahrung, “shalt wander like a breeze by lakes and sandy shores, beneath the crags of ancient mountain, and beneath the clouds.”In den Zeilen, die diesen folgen (58-62), wird der Idealismus des Dichters deutlich:
So shalt thou see and hear
The lovely shapes and sounds intelligible
Of that eternal language, which thy God
Utters, who from eternity doth teach
Himself in all, and all things in himself.
“Great universal teacher!” fügt Coleridge hinzu, verknüpft dadurch implizit diese antithetischen, aber umeinandergreifenden Prinzipien - Universales und Partikuläres, Ewiges und Einziges, Unsterbliches und Sterbliches - ohne die der westliche Dichter unfähig zu sein scheint, seine Erfahrung zu erfassen. Noch einmal, Coleridge verdankt dem platonisierten Christentum mehr als Kant.
Man könnte einwenden, dass, während “Frost at Midnight” primär ein Gedihct aktualer Erfahrung ist, doch auch in Coleridges Oeuvre Gedichte philosophischer Erfahrung zu finden sind, so wie “Dejection: An Ode.” Aber auch hier gibt es mystische Züge, die die kantischen Formeln überschreiben, sowohl platonische (“Ah! from the soul itself must issue forth a light, a glory, a fair luminous cloud enveloping the Earth” (53-55) als auch christliche (“Joy, Lady! Is the spirit and the power, which wedding Nature to us gives in dower a new Earth and a new Heaven” (67-69)). Obwohl man so argumentieren könnte, dass Coleridge lediglich das romantische Problem darstellte (Ich und Natur) und eine romanische Lösung anbot (romantische Freude), bewegt sich dieses Gedicht theoretisch in ein anderes System. In der Art der visionären Erfahrung, wie in “Christabel,”“The Ancient Mariner” oder “Kubla Khan” betont Coleridge sein Ideal stärker. “A damsel with a dulcimer in a vision once I saw,” beginnt er die letzte Zeile des letzten Gedichts, dessen letzte Zeilen wieder die christliche und platonische Vision miteinander verbinden.
Sollten wir dies alles bloss als eine Angelegenheit dichterischer Vision betrachten, beweist uns Coleridge in seiner Prosa unmissverständlich seinen Glauben an das christlich-platonische Ideal: “Die Tatsache, dass der Verstand des Menschen in seiner eigenen wesentlichen und konstitutionellen Form die Gesetze der Natur repräsentiert, ist ein Mysterium, das an sich ausreichen sollte, uns religiös zu machen: weil dies ein problem ist, für das Gott die einzige Lösung ist, Gott, der einzige vor allen, von allen und durch alles!” Gegen Coleridges Theismus sollten wir kurz zurückkehren, um Shelleys Atheismus darzustellen, aber zuerst kommen wir zu Byron, den Coleridge gut hätte charakterisieren können, wenn er sagt: “In seiner äussersten Abstraktion und dem konsequentesten Zustand der Verdammung wird der Wille zu satanischem Stolz und zu rebellischer Selbstvergötterung in der Beziehung des Geistes zu sich selbst und ruhelosem Despotismus relativ zu anderen.”
Byron ist halb satanischer Idealist, halb satirischer Realist und vermeidet folglich die philosophischen Begriffe der Erfahrung, die Wordsworth und Coleridge so stark beschäftigen. Was seine Poesie hat, das ihrer (und Blakes) fehlt, ist aktuale Erfahrung - drohend, gefährlich, bis jetzt noch nicht völlig verstanden. Nur Byrons Leben ist aufregender als die offen endenden Abenteuer des Don Juan oder das geheimnisvolle Verbrechen von Manfred, beide liegen so greifbar im Leben des Poeten begründet.
“I am no Platonist,” gibt Byron im Alter von dreiundzwanzig Jahren bekannt, “I am nothing at all,” fügt er hinzu, meint also, dass er keinen Glauben hat. Auch wenn er kein Anbeter von Plato ist, ist er nichtsdestotrotz ein Nacheiferer der klassischen Dichter, rückbezüglich auf Pope, Milton, Ariosto, Ovid und als sich seine Vision vertieft, auch von Homer. Als er siebenundzwanzig ist, nennt er Paradise Lost “Die schönste Dichtung, die jemals auf der Welt erschaffen worden ist.” Seine jedoch vielsagende Ambivalenz gegenüber den griechischen und römischen Klassikern, wie in Don Juan ausgedrückt, verkörpert die Hassliebe aller Philologen zu ihren mächtigen Vorgängern. Im Gegensatz zu einem Vergil, einem Tasso oder Spenser behauptet Byron jedoch, sich einen Weg in die reine auf Erfahrung beruhende Improvisation gebahnt zu haben. “I have no plan,” sagt er freimütig. Keinen Plan, das bedeutet, ausser dass er sich von ihnen befreit, er sie auch überwinden könnte. Und schon wird er charakteristischweise wegen der Begriffe für sein Projekt auf sie zurückgeworfen: “My poem’s epic, and is meant to be divided in twelve books,” erklärt er stolz. Wie bei Whitman, Ezra Pound und anderen, deren Werke ein offenes Ende haben und auf Erfahrung beruhen, sind es die Klassiker - in letzter Zeit Hindu und Konfuzianische genauso wie Griechische und Römische - die den Impuls geben und den Standard zur Verfügung stellen, gegen die ihr Experiment gemessen wird. Der Experimentiker muss genau, wie der, der von Erfahrung abhängig ist, irgendwo angefangen, worauf er sich stützen kann und wenn es nur die Sprache ist, die er erbt, in Begriffen, die seinem eigenem Experiment oder seiner Erfahrung vorausgehen.
“Tom hat diesen Nachmittag ein bisschen Blut gespuckt,” sagt Keats über seinen sterbenden, jüngeren Bruder, in einem Brief, mit fauler, gleichmässiger Hand die relativen Verdienste von Milton und Wordsworth abwägt. Ist Keats wirklich an aktualer Erfahrung interessiert oder ist er letztendlich ein Dichter des Schlafs und der Poesie, ein Dichter für Dichter, von seiner eigenen Psyche absorbiert, in Lied der Nachtigall, im statischen Glück einer griechischen Urne? Seine grossen Oden sind alle, so dürfen wir sagen, von Melancholie und Indolenz durchdrängt. Eine erniedrigende allegorische Figur, Herbst genannt, offeriert sein quälendstes Bild. Yeats dachte über Keats als einen Schuljungen, der seine Nase an das Fenster seines Süssigkeitenladens drückt. Die längeren Erzählungen findet dieser Leser unlesbar; ihm scheint das Wiedereintauchen des Dichters in dekadente Mythen eine zügellose Nachgiebigkeit in “eher ein Leben der Sensationen als der Gedanken” zu sein, ein Triumph des eigenen fragwürdigen Prinzips der “negativen Fähigkeit” des Dichters.
Keats repräsentiert die andere Seite von Shelley, dessen persönliche und moralische Dekadenz in seinem Umgang mit Harriet, Mary und Claire ein reifes Feld für Byron zum Pflügen bereitet hat. Wir dürfen nicht vergessen, dass Harriet, schwanger und verzweifelt, sich ertränkte; dass Clara und William, Shelleys Kinder von Mary, an Vernachlässigung in der frühen Kindheit gestorben sind. Shelleys Tod durch einen Unfall und Keats’ an Tuberkulose sind bloss amoralische Details. Entscheidend ist, dass der Dichter der Erfahrung weder seine Erfahrung kontrollierte, noch in irgendeinem Sinne heroisch in ihrem Angesicht starb. Ihnen wurde wenigstens die Trotteligkeit eines Wordsworth oder Coleridge im hohen Alter erspart. Aber keiner der vier war in der Lage, sich auf eine der grossen Visionen Blakes einzulassen und Byron hatte vielleicht recht getan, den grössten Teil von ihnen abzutun, seinen Freund Shelley inbegriffen, als “all in the wrong . . . upon a wrong revolutionary poetic system, or systems, not worth a damn in itself.”
Dieses System überschätzt im wesentlichen den Wert von Gefühlen, Schönheit und Vorstellungskraft. “Ich bin mir über nichts gewiss, ausser über die Heiligkeit der Gefühle des Herzens und die Wahrheit der Vorstellungskraft,” sagt Keats. “Was die Vorstellungskraft als Schönheit begreift, muss die Wahrheit sein.” Obwohl etwas reifer, ist Shelleys Gedanke ähnlich fehlerhaft, sowohl moralisch als auch ästhetisch: “Das grosse Geheimnis der Moralvorstellungen,” sagt er, “ist die Liebe oder ein Herausgehen aus der eigenen Natur und eine Identifikation unsererseits mit dem Schönen, das in Gedanke, Handlung oder einer Person liegt, nicht in uns selbst existiert.” Es ist die “negative Fähigkeit” (Negative Capablility) und ihr Fehler liegt in ihrem naiven Idealismus. “Ein Mann muss, um wahrhaft gut zu sein,” betont er, “sich intensiv und umfassend etwas vorstellen. Das grosse Instrument moralischen Gutseins,” beschliesst er vage, “ist die Vorstellungskraft.”
Thomas Carlyle, im selben Jahr wie Keats geboren, ist der letzte der romantischen Dichter und dürfte der beste sein. Obwohl sein Medium die Prosa ist, ist The French Revolution, wie Macaulay als erster bemerkte, das grosse englische Epos des neunzehnten Jahrhunderts. Obwohl poetisch leidenschaftlich, ist es sein Hauptbeitrag, den Gedanken wieder in die Poesie zurückzuführen.Er ist abwechselnd Theologe, Moralist, Metaphysiker und Kritiker und definiert so Gott neu und auch die Einbildungskraft in Begriffen des kantischen Duplex Zeit und Raum in einem Absatz, der als Ode für und gegen Erfahrung betrachtet werden kann:
That the Thought-forms, Space and Time, wherein once for all we are sent into this Earth to live, should condition and determine our whole Practical reasonings, conceptions, and imagings or imaginings, seems altogether fit, just and unavoidable. But that they should, furthermore, usurp such sway over pure spiritual meditation, and blind us to the wonder everywhere lying close on us, seems nowise so. Admit Space and Time to their due rank as Forms of Thought; nay even, if thou wilt, to their quite undue rank of Realities: and consider, then, with thyself how their thin disguises hide from us the brightest God-effulgences! Thus, were it not miraculous, could I stretch forth my hand and clutch the Sun? Yet thou seest me daily stretch forth my hand and therewith clutch many a thing, and swing it hither and thither. Art thou a grown baby, then, to fancy that the miracle lies in miles of distance, or in pounds avoirdupois of weight; and not to see that the true inexplicable God-revealing Miracle lies in this, that I can stretch forth my hand at all; that I have free Force to clutch aught therewith? Innumerable other of this sort are the deceptions, and wonder-hiding stupefactions, which Space practices on us.
“Noch schlimmer ist es bezüglich der Zeit,” fügt er hinzu. “Your grand antimagician and wonder-hider, is this same lying Time . . . ”Carlyles Leistung ist hier nichts weniger als die Wiedererfindung einer kosmologischen Poesie, dieser Engländer ist sowohl der Hesiod als auch der Homer unserer post-kantianischen Welt dessen Grundlagen sich in den anderthalb Jahrhunderten seit Milton vom Mythos zu Geschichte, von der Geschichte zur Erfahrung und von der Erfahrung zur Wissenschaft verlagert haben und wodurch die Entwicklung der Zivilisation rekapituliert wird. Zunehmend versucht der westliche Intellekt, der sich rückwärts durch seine Phasen bewegt, zu Begrifflichkeiten mit jeder zu kommen: Descartes mit der Wissenschaft, Kant mit der Erfahrung, Carlyle mit Geschichte und Frazer mit dem Mythos. Als Gigant unter Giganten gelangt Carlyle zu einer Synthese aller vier Arten des Denkens. Wir sollten uns hier auf seine Bearbeitung von nur zweien beschränken: Erfahrung und Geschichte.
“Examine History, ” sagt er, “for it is ‘Philosophy teaching by Experience.’’’ Kein Wunder, dass Carlyle als Historiker, der zuerst zu Begriffen der Erfahrung kommen muss, selber auch zum Philosophen wird. Im Gegensatz zu den grossen romantischen Dichtern verstand er die Unhaltbarkeit des Idealismus (“reine spirituelle Meditation”), platonisch oder christlich, in der schönen neuen Welt. Gott muss statt dessen ausserhalb der neuen Realitäten von Zeit und Raum neu erfunden werden. Als nächstes, mit dem Erreichen und Begreifen seiner eigenen Hand als Beispiel führt er seine Meditation zurück zum Individuellen, zu individueller Erfahrung. Akkumulierte individuelle Erfahrung, wie bei Wordsworth, wird persönliche Geschichte. Für Carlyle, den Historiker der Erfahrung, stellt sich das Problem, wie man von persönlicher zu kollektiver Geschichte kommt. Vielleicht, schlägt er vor, ist der beste Weg die Anordnung.
“Geschichte,” sagt er, “so wie sie an der Wurzel aller Wissenschaften liegt, ist sie auch das erste distinkte Produkt der spirituellen Natur des Menschen; sein frühster Ausdruck dessen, was Gedanke genannt wird.” Wenn der Kosmos durch Raum und Zeit definiert wird, wird der Mensch durch Geschichte definiert, einen wissenschaftlichen Menschen vorausgesetzt. Von da an wird alles Denken historisch werden, alle Disziplinen entwickeln sich innerhalb ihrer eigenen Geschichte, als das grosse Projekt des neunzehnten Jahrhunderts hier seine Wurzeln hat. Wissenschaft wird zu Geschichte der Wissenschaft, Philosophie zu Geschichte der Philosophie, Theologie zu Geschichte der Theologie. Für Newman kommt dazu, dass die Geschichte der Theologie die Theologie ersetzt. Wie Carlyle sagte: “Kirchengeschichte . . . sprach es weise aus, würde sie uns bedeutende Geheimnisse zu lehren haben; nein, in ihrem höchsten Grade war es eine Art kontinuierlichen heiligen Schreibens; unsere sakralen Bücher sind in der tat nur eine Geschichte der urzeitlichen Kirche, als sie als erstes in der menschlichen Seele entstand und sich selbst symbolisch in ihrem ewigen Leben verkörperte.” Aber das Persönliche kann nicht eliminiert werden, nicht einmal auf Befehl. Newman reflektiert das Problem unbewusst, wenn er sagt: “Ich beabsichtige, einfach persönlich und historisch zu sein; Ich bin nicht die erläuterte katholische Lehrmeinung.” Persönlich oder historisch? Oder beides? Warum nicht einfach das eine oder andere?
Weil Geschichte nichts als grossgeschriebene Erfahrung ist. Wenn wir überdies die Rolle des Historikers in Betracht ziehen, können wir nicht zur Objektivität zurückkehren. Wie mit dem Realismus und der Kunst oder der Gewissheit in den Wissenschaften, wir entdecken, dass Objektivität illusorisch ist. Was bleibt uns dann? Erfahrung. In unserer Selbstabsorbierung haben wir keine andere Wahl, als Wissenschaft der Erfahrung, Philosophie der Erfahrung und Theologie der Erfahrung neu zu definieren, soweit Gott nur von unserem eigenen Standpunkt erfasst werden kann. Dass Er diesen Standpunkt erschaffen haben mag, wird übersehen. Wenn Geschichte, aus Erfahrung empfangen, unser neuer Gott ist, dann ist Erfahrung, aus der Geschichte empfangen, unser neuer Held. Es ist dies das Vermittelnde, wie der Halbgott, zwischen Partikulärem und Universalem.
Erfahrung fasst das romantische Thema von Ich und Natur zusammen, integriert dessen Hauptbegriffe und liefert eine problematische Basis für die Geschichte, wie wir gesehen haben. Seitdem wir Shelley hinter uns gelassen haben, haben wir ein anderes wichtiges Prinzip der Romantik ignoriert: Die Einbildungskraft. Wenn wir uns dem Roman zuwenden, stellen wir fest, dass sie wiedererscheint. Doch da diese durch und durch romantische Form weniger ein Produkt der Geschichte oder Erfahrung als von Coleridges formender (esemplastic) Kraft oder von Tassos vorauschauender meraviglia ist, bewegt sich unser integrierender Sinn des Staunens nun auf uns selbst zu, auf unsere sich selbst regulierende Gesellschaft mit ihren sich selbst determinierenden politischen und ökonomischen Institutionen. Weit vom objektiven Modus, impliziert durch Labels sind diese eingesetzt, um seine Phasen zu kategorisieren: historisch, realistisch, naturalistisch, ist der Roman grundsätzlich subjektiv, verlegt die Natur in den menschlichen Prozess, tatsächlich identifiziert er sie mit der menschlichen Natur. In dieser im wesentlichen populären und weltlichen Form verlieren wir die Geheimnisse der Kosmologie und den proportionalen Gesichtspunkt des Universums, den sie impliziert. Tatsächlich kann nicht einmal die Wisenschaft helfen, wenn einmal die Erfahrung, mit der Veränderung als ihres einzigen konstanten Prinzips, unsere Gedanken ergriffen hat. Dem sieht Carlyle tapfer ins Gesicht: “Wenn du jemals eine Theorie über das Universum aufstellen könntest, die vollständig, nicht mehr zu verbessern wäre und die man nur auswendig lernen müsste,” meint er, “dann wären die Menschen spirituell gestorben, die Spezies, die wir heute Mensch nennen, hätte aufgehört zu existieren.” Der Roman präsentiert daher nur, qua definitionem, ein teilweises Bild, partikulär, nicht universal; bedarf ständig der Verbesserung - immer einzig, niemals ewig; und gebraucht eine notorisch uneinprägsame Form, wenigstens solange die Spezies Mensch und seine Einbildungskraft die Kunst dominieren und die Theorie der Kunst, die Kritik und Literatur, die darauf gedeiht. Wir sollten zurückgehen, um diese Fragen zu betrachten, wie sie in den Gedanken von Ruskin, Arnold und Pater wieder erscheinen.
Wenn Dickens, als die dominante viktorianische Figur in der Form des Romans, die Apotheosis der romantischen Einbildungskraft repräsentiert, wenn Scott im Abenteuerroman den Erfinder unseres selbstbetrachtenden Gesichtspunkts der Geschichte repräsentiert, wenn Jane Austen uns nichts als einen Spiegel vorhält, um unsere Manieren zu verbessern, und wenn die Varianten des Realismus, Naturalismus und Expressionismus Trollope, Hardy und den Brontes zugeschrieben werden können, was kann man über George Eliot, der seriösesten aller viktorianischen Romanschriftsteller sagen?
Die gelehrteste Frau des neunsehnten Jahrhunderts genannt, ist sie nicht nur Romanschriftstellerin, sondern Denkerin, Sozialhistorikerin, Theologin. Da die ersten beiden Rollen, aber nicht die letzte, oft von den modernen Romanschriftstellern gespielt werden, lasst uns innehalten und fragen, warum Eliot sich so mit Gott, Bibelstudien, mit theologischen Argumenten und allem anderen, das die höhere Kritik ausmacht, beschäftigt. Die Antwort ist einfach, wenn auch in ihren Begriffen komplex: Sie engagiert sich in der Aufgabe, Paradise Lost neu zu schreiben und darunter die biblische Genesis. Weil sie in Adam Bede, The Mill on the Floss, Middlemarch und Romola, um nicht weiter vorauszuschauen, Eden neu schreibt, den Sündenfall, die Vertreibung und ihre Folgen. Wissenschaft, Geschichte und Erfahrung, wie versiert sie auch immer darin ist, sind ungenügende Begriffe für ihr umfassendes Verstehen. Ihr Unternehmen erfordert einen präexistierenden Mythos, den sie in Adam und Eva findet. Sie ist die erste englische Romanschriftstellerin, die diesen Mythos, der so zentral in der westlichen Zivilisation ist, in Worte kleidet.
Warum zu diesem Zeitpunkt, während dieser besonderen Distanz von Milton und Dante, in diesem agnostischen Klima? Überraschenderweise wurde ihre Praxis nicht einer detaillierten, kritischen Untersuchung unterworfen. Oder vielleicht nicht überraschenderweise: Viele der wichtigsten Beziehungen zwischen den Figuren des neunzehnten Jahrhunderts und ihren Vorläufern und Nachfolgern wurden vernachlässigt. Wenn man an Whitmans Beziehung zu Blake und zu Pound denkt oder an Dickens’ Beziehung zu Cervantes und zu späterer Literatur. Dieselbe Vernachlässigung in unseren Studien ist typisch für die anderen Jahrhunderte englischer Literatur: Zum Beispiel Shakespeares Beziehung zu Milton und Spenser. Und wer hat im zwanzigsten Jahrhundert das, was durch Middlemarch erreicht wurde, den grössten englischen Roman, fortgeführt? Haben wir unseren Gefallen an Adam und Eva, am verlorenen und wiedergefundenen Paradies verloren? Wenn das so ist, haben wir den Kontakt mit unserem vielleicht tiefsinnigsten und dauerhaftesten Mythos verloren.
Henry James schrieb herablassend über Middlemarch, überbetonte dessen Portrait einer Lady, spielte seine Komplexität herunter und ignorierte seine mythischen Elemente. Henry James war selbst niemals in der Lage, einen solch bedeutenden Roman zu schreiben. Woran glaubte James, woran Eliot und woran Milton? Milton glaubte an Gott, Eliot anscheinend an Milton und James an sich selbst. George Eliot war nur neugierig auf Henry James (zu ihr nach Hause eingeladen, so berichtete er, dass niemals jemand eifriger erwartet worden und noch eifriger weggeschickt worden war). Auf der anderen Seite war Eliot vollständig in Milton und sein Material vertieft. Zusammen mit Gott und sich selbst verkörpert sie ihn in der Figur des Casaubon. Doch auch dieser archetypische alte Mann, der törichterweise eine junge Frau heiratet, dieser Gelehrte der Altphilologie repräsentiert mehr als man zuerst sieht, da Eliot, Expertin des offensichtlichen, populären Effekts, auch eine subtile Allegoristin war. Das Miltonsche Projekt, das Casaubon nicht in der Lage zu beenden war, auch nicht mit Eliots Surrogat Dorothea an seiner Seite, heisst The Key to All Mythologies, der Schlüssel in der Frage, die die Bibel ist. Zusätzlich zu Gott und Milton repräsentiert Casaubon Eliots Vater und diese Vaterfigur und Geliebten George Henry Lewes. Aber wenn wir Dorothea für Eva halten, muss Casaubon Adam sein, doch nur in dem vordem-Fehltrittteil der Geschichte, dem Teil, in dem Ladislaw Satan spielt. Nach Casaubons Tod - des Todes von Gott, von Eliots Vater, von Milton, des ersten Adams - heiratet Dorothea Ladislaw (Eva und Satan? Eva und ein zweiter Adam?) und lebt glücklicher als je zuvor. Sind sie Heilige und Sünder? Nicht nur benannte Eliot ihre Heldin nach einer Heiligen, sie vergleicht sie auch unverblümt mit einer anderen, während Mrs Cadwallader Ladislaw “byronesk” nennt. Henry James, der niemals seinen Byron geschlossen hatte, verstand diesen teil; verpasste aber, seinen Goethe aufzuschlagen und übersah einige andere Parallelen. Denn Casaubon ist eine Doppel-Figur, Faust und Gott; Dorothea sein Gretchen; Ladislaw sein Mephistopheles (in ihren guten Taten nachdem-Fehltritt ist Dorothea auch ein Faust). Und wir haben nicht einmal die Parallelen zu Dante, Cervantes, Shakespeare und Bunyan berührt, zu dem uns Eliot direkt in ihren Epigraphen führt. Warum schliesslich diese karrierelange Obsession mit Adam und Eva? Weil George Eliot Miltons Hauptnachfolgerin des häuslichen Epos ist.
So wie es undenkbar wäre, Dostojewskij von einer Studie über die russische Literatur des neunzehnten Jahrhunderts auszuschliessen oder Victor Hugo von einer ähnlichen Studie über die französische, so muss Dickens einen Platz bekommen und zwar einen sehr wichtigen, in jeder Hinsicht der englischen Literatur des neunzehnten Jahrhunderts. Meiner Meinung nach hatte er die grösste Vorstellungskraft Englands seit Shakespeare. Die Frage ist, wie er sich zum Thema Erfahrung verhält. Denn es ist nicht genug zu sagen, dass sein Werk ungeheuer autobiografisch ist und deshalb seine eigenen Erfahrungen reflektiert; noch dass sie realistisch ist und so die Erfahrung des modernen London reflektiert. Das Werk eines Tagebuchschreibers würde dem ersten Kriterium genügen, das eines Journalisten dem zweitem. Dass er beliebt ist, spricht nicht gegen ihn, nicht mehr als es gegen Tennyson oder Shakespeare spricht; dass er seinen Lebensunterhalt als professioneller Schriftsteller verdient hat, stellt ihn in dieselbe Kategorie wie Carlyle. Warum, könnte man fragen, nehmen wir das Werk Lazarillo de Tormes, eines unbekannten Autors, ernst, nicht aber das von Dickens? Man muss ehrlicherweise zugeben, dass ein hieb- und stichfestes Argument, ihn auszuschliessen, nicht gefunden werden kann. Noch ist dies eine Angelegenheit von persönlichem Geschmack. Great Expectations ist einer meiner Lieblingsromane, eine herrliche Unterhaltung, abwechselnd urkomisch und befriedigend, voller tiefsinniger Menschenkenntnis. Aber alles in allem repräsentiert sein Werk weder eine kollektive noch eine persönliche Erfahrung. Der Roman betrifft nur nebensächlich Geschichte; was sich von Dickens selbst ableiten lässt, wurde durch die Vorstellungskraft in eine andere Welt verwandelt. Obwohl Dickens Geist nicht unterschätzt werden sollte, ist er weder philosophisch gebildet noch dazu geneigt. In Kürze, Great Expectations ist ein Werk der romantischen Vorstellungskraft, dessen Ziel es ist, “the Hearts affections” zu ergründen. Dass er wenig Interesse an Aristoteles, Vergil, Dante oder Kant hatte, spricht auch nicht gegen ihn, sondern vergrössert eher unsere Bewunderung. Denn Dickens erfand kraft seiner Weite eine menschliche Welt, die mit ihrer an Umfang und Reichweite rivalisiert, wenn auch nicht an Gewandheit und vermittelter Absicht. Er hat sie, wie auch immer, erfunden, und Erfindung ist nicht Erfahrung.
Doch der Kategorisierer Thomas Hardy wirft sogar noch ein schwierigeres Problem als Dickens auf. Zum Beispiel hat sein Jude the Obscure viele Merkmale mit den Romanen George Eliots gemeinsam. Und ich habe zusätzliche Merkmale zu ihren provinziellen englischen Schauplätzen, ihrem rückwärtsgewandten Blick auf ein früheres Zeitalter, ihren Gebrauch des Dialekts und anderer realistischer Techniken im Kopf. Wie in Eliots Romanen über Erfahrung verwebt Jude inmitten seines Plots von Leidenschaft und Bildungssystemen von evokativen Symbolen, die vom Christentum und der klassischen Tradition vorgezeichnet worden waren. Hardy, der ein langes und systematisches, wenn auch irgendwie grobes philosophisches Gedicht entwarf, konnte nicht wie Dickens, unaufmerksam gegenüber der Tradition von Denkern, die wir häufig evoziert haben, sein.
Naturalismus selbst entwickelte sich, wie uns von denen gesagt wird, die diesen Begriff favorisieren, aus Anliegen von Marx, Darwin und Spencer, und Hardy kannte sie gewiss. Wie kommt es dann, dass auch er von der Literatur der Erfahrung ausgeschlossen wird? Dieses Mal rückt ein persönliches Urteil ins Bild. Denn Hardys Denken scheint mir nicht reflektiv, sondern instinktiv zu sein, seine Theologie begrenzt zu einer kosmischen Ironie, seine Sichtweise der Welt ein Produkt romantischen Pessimismus’ und begrenzt durch einen Mangel an philosophischer Reflektion. Nicht überraschend, ist er eine populärere Figur als F.H. Bradley, aber es ist Bradley, der sich mit Erfahrung beschäftigt, nicht Hardy.
Wir könnten hier kurz pausieren, um die Begriffe “romantisch” und “realistisch” neu betrachten. Obwohl sie sich durch ihre Geläufigkeit eingebürgert haben und unvermeidlich geworden sind, ist keiner sehr akkurat oder leicht definierbar. Man könnte daselbe über “auf Erfahrung beruhender Literatur” sagen, aber dieser Begriff ist wenigstens philosophisch legitimiert. Es gibt keine Philosophie der Romantik oder des Realismus. Da beide Gruppen von Literatur und das schliesst die gesamte hohe europäische Tradition des neunzehnten Jahrhunderts mit ein - in dem Ausdruck “Literatur der Erfahrung” eingerahmt sind, würde ich vorschlagen, es zu erlauben, “Romantik, “Realismus” und den ähnlich problematischen “Symbolismus” zu erzetzen.
Im Gegensatz zu Byron und Eliot, die fast ihr ganzes Leben unverheiratet waren, war Tennyson, wie Milton durch und durch häuslich. Im Gegensatz zu den romantischen Dichtern war er wirklich beliebt, ein Dichter der kollektiven Erfahrung. Um eine bedeutsame Position unter den Viktorianern zu erreichen, versetzte er sich zurück in frühere Zeiten, verschiedentlich in das mythische Griechenland des Tithonius, das legendäre Britannien Arthurs, seine eigene persönliche Vergangenheit oder in eine allgemeine Vergangenheit, die er nostalgisch durch konservative Werte und die traditionelle Kultur beschreibt. Whitman beneidete Tennyson wegen seines demokratischen Anspruchs, aber versagte völlig, die cleveren Einsichten des poeta laureatus zu begreifen: In Angelegenheiten des Geschmacks sind die Völker anti-demokratisch. Tennyson sprach sie an durch seine emotionale Wiederefahrung der Vergangenheit, teilte sie mit ihnen, wie es Vergil mit seinem Publikum tat, seine eigene emotionale Antwort auf eine kollektive Vergangenheit, die sie selbst nicht in der Lage waren, wiederzugewinnen. Wieder wie Vergil, spricht er zu drei Audienzen: seinen heroischen Vorfahren, seiner zeitgenössischen Welt und zu seinen zukünftigen Lesern. Whitman spricht effektiv nur zu den zweiten und dritten von diesen - obwohl die Vedischen Sagen immer noch gehört werden könnten.
Wie George Eliot ist Tennyson ein ernsthafter Denker, eine Berufung, die grösstenteils von seinen nachgeborenen Lesern übersehen wurde, jedoch nicht von seinem Zeitgenossen John Stuart Mill. “Jeder grosse Dichter,” sagt Viktorias führender Philosoph (er schreibt einen Rückblick über ihn in In Memoriam), “jeder Dichter, der die Menschheit beträchtlich oder permanent beeinflusst hat, war ein grosser Denker; hatte eine Philosophie, auch wenn er sie vielleicht nicht bei diesem Namen genannt hat.” Was war es, worüber Tennyson nachgedacht hat? Über kollektive Geschichte in Beziehung zu seiner persönlichen Geschichte, in Kürze, über Erfahrung in dem Sinne, den sie für einen postromantische Mann hat, mag er Hegel oder Carlyle sein. Ich würde behaupten, dass Tennyson nicht weniger ein Denker als diese ist. Um ökonomisch und zweckmässig zu sein, konzentrieren wir uns auf ein einzelnes Werk, “Ulysses,” und dessen Umgang mit unserem eröffnenden Thema: die homerische Tradition der Erfahrung, die Tennyson, wie wir sehen werden, sowohl weiterführt als auch unterminiert.
In den abschliessenden Zeilen von “The Lotus Eaters,” ein Gedicht, dass das Hauptobjekt unserer Untersuchung vorwegnimmt, schreibt der Dichter:
slumber is more sweet than toil, the shore
Than labor in the deep mid-ocean, wind and wave and oar;
O, rest ye, brother mariners, we will not wander more.
Hätten wir nicht den Rest des Textes, könnten wir uns fragen, wer spräche, Odysseus oder Aeneas? Ein englischer Seemann des neunzehnten Jahrhunderts oder Tennyson selbst? Die Zeilen erwidern vier getrennte Vorgänge, in denen man sich jede dieser vier Figuren abwechselnd vorstellen kann. Aber alle vier sprechen auf einmal, sobald der Leser es liest.
Von einer kleinen homerischen Episode aus, die er 1832 erweitert (mit Hilfe von Spenser und Lukrez) und 1833 kehrt er zurück zum vollständigen Homer, den er verdichtet (mit Hilfe von Vergil und Shakespeare). Hier erfindet er einen Prolog zu Dantes berühmter Episode in Inferno 26. Nachdem ein Hamlet-ähnlicher Ulysses zu seiner Frau zurückkehrt, sagt er: “I cannot rest from travel; I will drink life to the lees.” Es war eine vergiftete Tasse, wie wir uns erinnern, die Shakespeares Everyman (Hamlet) tötete und Rastlosigkeit war es bei Dante. Aber Erfahrung, wie Literatur, ist fortlaufend; die Vergangenheit, alles, was er “enjoyed greatly,”“suffered greatly” muss Ulysses zurücklassen, obwohl sein Sensorium (“viel hab ich gesehen und erfahren”), als eine Art Lockeanische Erfahrung beibehalten werden könnte. Nachdem er weiter Homers Inbegriff der Odysseischen Erfahrung universalisiert, lässt Tennyson in einer einzigen Zeile kantianische Vorspiels zu seiner eigenen Definition von Erfahrung Ulysses philosophisch ausrufen: “Ich bin Teil von allem, das ich gesehn habe.”Sein Held fährt weiter fort:
Yet all experience is an arch wherethrough
Gleams that untraveled world whose margin fades
Forever and forever when I move.
Nicht nur ist die Erfahrung fortlaufend, sie ist auch niemals vollständig. Man könnte an die komische Antwort des Ginés de Pasamonte denken, als er gefragt wird, wann sein Leben des Ginés de Pasamonte beendet sein wird: “Wie könnte es beendet sein? Ich bin immer noch am Leben.” Wir lachen, aber dann reflektieren wir: Vielleicht ist das Leben, nach allem, unfähig, vollendet zu werden. Ausserdem, wenn wir unsere Erfahrung nur kennenlernen, indem wir über sie schreiben, was ist mit der Erfahrung, über die wir noch nicht geschrieben haben? Wie Cervantes in seiner Kritik des Pikaresken, so sagt Tennyson in seinen Meditationen über Homer etwas völlig Neues. Überdies bemerken wir, dass Tennyson von “aller Erfahrung” spricht. So weit für das ganze Projekt! Es ist alles unfassbar, impliziert er.
Wie der Esperantist hat Tennyson ein einfaches Englisch erfunden, dass ihn für den Nicht-Muttersprachler des Englischen attraktiv macht und seltsamerweise auch für den Muttersprachler. Seine Vereinfachungen sind besonders bemerkenswert in seinen monosyllabischen Zeilen: “How dull is it to pause, to make an end.” Die Erfahrung, diese Zeilen zu lesen, ist so ähnlich, wie die Erfahrung, diese Zeilen in eine andere Sprache zu übersetzen. Wir erinnern uns, dass “Ulysses” ein Gedicht ist, das aus einem griechischen Text stammt und über lateinische und italienische Texte ins Englische projiziert worden ist. Monosyllabische Phrasen sind auch wichtig: “Life piled on life,” “When I am gone,” “He works his work, I mine,” “You and I are old.” Jede Phrase taumelt am Rande semantischer Ambiguität. Manche von Tennysons am meisten erinnerte Phrasen sind auch monosyllabisch: “The long day wanes; the slow moon climbs,” oder die letzte kumulative Injunktion “to strive, to seek, to find and not to yield.”
Was hat dies mit universaler Erfahrung zu tun? Eine ganze Menge, doch wenn wir nicht alle Schriftsteller sind, sind wir doch alle Leser oder wenigstens Verbalisierer unserer eigenen Erfahrung. Wenn wir diese monosyllabischen Worte ernstnehmen: “life,”“death,”“fate,”“time,”“world,”“will,”“all,” dann können sie uns erzählen, wie Tennyson sein Gedicht thematisiert, in Kürze, wie es ist, dass er “denkt.” Sie können uns auch erzählen, auf welche Art er wünscht, wie wir Erfahrung überdenken sollten, in Beziehung zu “life,” zu “death,” zu “fate,” und so weiter. Ist Erfahrung etwas, das man “horten” könnte? Wie ist ihre Beziehung zu Arbeit? “That which we are, we are,” sagt der Poet in einem Satz, der lächerlich erscheinen könnte, wenn er von jemand anderem als Tennyson gesagt worden wäre. Aber nun, wenn wir sehen, wie er denkt, verstehen wir, dass er über die Beziehung zwischen Erfahrung und Existenz nachdenkt. Was meint “Ulysses,” wenn er seine Seeleute als “Souls that have toiled, and wrought, and thought with me” bezeichnet? Im Sinne meiner Thesen - dass Tennysons Werk interaktiv ist - überlasse ich dem Leser statt einer Antwort sich selbst.
Wie in “Ulysses,” wo er eine Perspektive aufrecht erhält, die sowohl persönlich als auch historisch ist, so balanciert Tennyson in seinen Anstregungen in seiner Epik das Moderne mit dem Traditionellen. Sowohl InMemoriam als auch Idylls of the King beruhen auf früheren Modellen: sein Zyklus über Arthur auf Malorys Behandlung des Mythos; seine Elegie auf Dantes Gedicht über Erfahrung. Beide stellen die Erfahrung von Christus um, wie in Arthur “dead” aber “come again: he cannot die,” wie in dem Vergleich von Arthur Hallam mit dem “strong Son of God.” Tennyson selbst ist weniger ein Dichter des Zweifels, als er sich ein zweifelndes Zeitalter hätte vorstellen können, er ist eher ein Dichter sublimierten Christentums. Wie Dantes Werk beschreibt seines die Erfahrung von Verzweiflung, Reinigung und Erlösung. Wie in “Ulysses,” wo Telemachos sich vorbereitet, die Erfahrung, seines Vaters fortzuführen, nach des letzteren Tod drückt Tennyson deutlicher sein Interesse an Erfahrung über das Grab hinaus aus. Nachdem wir gestorben sind, schliessen wir wieder an der Vergangenheit an oder bewegen uns in eine “untraveled world” der Zukunft? Tennysons Ulysses denkt über weitere Reisen nach, aber stellt sich auch eine Wiedervereinigung mit Achilles vor. Wie bei Eliot und Carlyle vor ihm führt Tennyson die Erfahrung auf ihre mythischen Wurzeln zurück.
Bei Browning - für uns, vielleicht sogar mehr als seine Zeitgenossen, der repräsentative Viktorianer - finden wir ein ähnliches Verständnis, ein Verweben der Arten, wodurch das neunzehnte Jahrhundert Realität neu begriff und ordnete: Erfahrung, Vorstellungskraft, Geschichte. Doch obwohl er von den Romantikern weit entfernt ist - in der Zeit, in der Kultur, im Aufenthaltsort, gehört Browning dennoch zu ihrer Gruppe, ein Dichter der Erfahrung a fortiori, halb Realist, halb sentimentaler Idealist und wurde wegen dieser Kombination sehr beliebt. Wie die Romanschriftsteller der Mitte des Jahrhunderts ist er im wesentlichen ein Dichter der Einbildungskraft, der seine florentinischen Maler wieder erschafft, seinen Graf von Ferrara, seinen Bischof, seinen Sordello, durch eine Historiografie, die er mit Flaubert, Tolstoi und Eliot teilt. Egal wie exakt sie ihr Gebiet erforscht haben, sind jedoch wieder sie noch Browning wirklich Historiker.
Brownings dramatische Monologe, einmal auf Kurs gesetzt, segeln in Richtung ihres eigenen Schmelzpunktes ins Nichts (wie Frost zu Hause einen Eiswürfel auf seinen Ofen setzt), wo sie ihren Geist aufgeben, wenn ihre Substanz sich schliesslich in Luft auflöst. Einmalige Erlebnisse - energiegeladen, metaphorisch - gebieten über unsere Aufmerksamkeit immer genau deswegen, weil sie, ihre Darstellung, nicht wiederholt werden kann. Wenn wir nach Florenz zurückkehren, zu seinen Meistern der Renaissance, fahren Brownings Gedichte damit fort, wie er es beabsichtigte, in einen Shakespeareanischen Nebel zurückzugehen. Sie repräsentieren, in Kürze, nicht Geschichte, sondern ein neues Amalgam, so verschieden von Shakespeare wie von unserer modernen Disziplin, der Kunstgeschichte, nichtsdestotrotz antizipiert es einige ihrer Grundzüge. Für Pound, für Yeats, für Eliot beinhalten sie eine permanente Faszination und belaufen sich auf einen tiefergehenden Einfluss, als im allgemeinen erkannt worden ist, trotz Pounds Anstrengung, seine eigene Verpflichtung an sie zu erklären.
Für Hegel ist Kunst, wie alles andere, untrennbar von Geschichte zu betrachten. Weniger als ein Einfluss auf Ruskin und Arnold, ist er eine Figur, dessen Denken ihres präfigurierte, hat er nichtsdestotrotz etwas zu unserem grösseren Problem, dem Partikulären und Universalen zu sagen, das erwähnt werden wollte, bevor wir mit diesen späten Viktorianern fortfahren. Um das zweite Epigraph vor diesem Essay aufzugreifen, könnten wir sagen, dass für Hegel das einzige Ding, das universal ist, alles ist. Obwohl er in der Erkenntnistheorie von Kant in Richtung des subjektiven Idealismus wegdriftet, ist seine Sichtweise von Erfahrung allumfassend. In einer allgemeineren Art antizipiert er, worauf sich Ruskin, Arnold und Pater, zusammen betrachtet, sich in ihrer Sichtweise von Erfahrung auf zu bewegen.
Dies ist nicht der Ort, auf die generellen Konturen der Werke dieser spätviktorianischen Denker zurückzublicken. Es reicht wohl zu sagen, dass die Geschichte der Kultur für jeden entscheidend ist, als ein Weg, die Entwicklung des englischen Denkens über Erfahrung weiterzubringen. Jedes Fortschreiten ist in seiner eigenen Art die allgemeine Integration der Erfahrung in die Geschichte. Ruskins dadurch, dass er sie sozial verantwortlicher macht, Arnolds dadurch, das er unsere vergleichenden Perspektiven verbreitert hat und Paters schliesslich dadurch, dass er insgesamt die Grenzlinie zwischen den beiden Prozessen auflöst. Jede dieser Personen geht in der Integration von Aesthetik in den Rest menschlichen Wissens weit über Hegel hinaus.
“Was wir tun müssen,” sagt Pater abschliessend in The Renaissance, “ist, für immer neugierig darauf zu sein, neue Meinungen zu testen und neue Eindrücke herauszufordern, niemals einzuwilligen in die oberflächliche Orthodoxie eines Hegels oder Comte, oder von uns selbst.” Pater stellt sich nicht so sehr einer neuen Theorie entgegen, als dass er darauf beharrt, dass wir sie benutzen, um nach der Bedeutung des Lebens zu greifen, unsere Leidenschaft zu steigern und Erfahrung um der Erfahrung halber machen. Was aber trägt er - ausser von einem schon vergrösserten Sinn für ihre weltweiten Möglichkeiten - zu unserem Verständnis von Erfahrung bei? Einen Sinn, könnten wir sagen, von ihrer Vergänglichkeit, von ihrer Intermittenz, von ihrer Unbestimmtheit. Hiermit sagt er den Quantenphysiker vorher. “Die gesamte Möglichkeit der Erfahrung,” sagt Pater in seinem Resumee, “ist zwergenhaft in der engen Kammer des menschlichen Geistes.”“Analysis,” fährt er fort, als ob er ein wissenschaftliches Labor errichtet hätte,
goes a step farther still and assures us that those impressions of the individual mind to which, for each one of us, experience dwindles down, are in perpetual flight; that each of them is limited by time, and that as time is infinitely divisible, each of them is infinitely divisible also; all that is actual in it being a single moment, gone while we try to apprehend it, of which it may ever be more truly said that it has ceased to be than that it is.
Nachdem er das Ich als “seltsam, fortwährend webend und umwebend,” definiert hat, erfasst Pater intuitiv die Anwendbarkeit dieser Figur auf die Natur selbst, warnt uns scharf, dass Erfahrung selbst eine gefährdete Spezies ist. “Nicht die Frucht der Erfahrung,” sagt er, abweichend von Hegel, “sondern die Erfahrung selbst ist das Ende.” Seine Position wird viele Figuren des folgenden Jahrhunderst beeinflussen, keinen direkter als den Dandy.
Nach einem Zeitalter politischer Revolution folgt ein Zeitalter sozialer Revolution; während des zwanzigsten Jahrhunderts hat sich eine dritte Revolution, die kulturelle, ihren Weg ins Bewusstsein gebahnt. Für vorwissenschaftliche Denker wie Alexis de Tocqueville war die dritte Revolution implizit in der zweiten enthalten; für Avantgarde-Denker wie Beau Brummel war sie implizit in der ersten enthalten. Brummel ist der erste Dandy im würdigen modernen Sinne, das ist der eines Mannes, der seine eigene Kultur entwirft, der sich selbst aus seinen eigenen Sitten heraus entwirft. Er ist eine Apotheose der demokratischen Menschen. Wenn wir alle gleich sind, nicht nur politisch und sozial, sondern auch kulturell, wie unterscheidet sich der Künstler von der durchschnittlichen Person?
Während der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts haben sich zwei Exzentriker, Charles Baudelaire und Walt Whitman, zum Dandy gemacht, mit dem Ziel ihre eigene Zentralität zu bilden. Beide verdanken Byron viel. Zu manchen Zeiten übernahmen sie beide seine Kleidung, Baudelaire täuschte das Auftreten des edlen Dekadenten vor, Whitman, im selben Kostüm, die Haltung des demokratischen Selfmademan. Baudelaire erwählt das urbane Böse als sein Thema (Les Fleurs du mal, 1857), Whitman die gesunde Natur als das Seine (Leaves of Grass, 1855). Untereinander teilten sie Gut und Böse auf, zwei universale Arten von Erfahrung. In der englischen Tradition ist der bedeutendste Nachfolger von Brummel und Byron, von Baudelaire und Whitman, Walter Paters Student Oscar Wilde. An unserem dramatischen Streit beteiligt er sich mit einer Antwort auf die Frage “Wie kann man Erfahrung haben, ohne über sie zu schreiben?’” Dadurch, dass man aus sich selbst ein Kunstwerk macht, entgegnete Oscar Wilde. Den Part eines objet d’art bekleidend und allein kraft der Reputation seines Geistes zieht Wilde im Alter von siebenundzwanzig durch Amerika, hält an jedem Aufenthalt seine einzige Lesung über die Wichtigkeit des häuslichen Mobiliars. “Wir verbachten unsere Tage damit, das Geheimnis des Lebens zu suchen,” liest es sich nahe des letzten Satzes. “Also,” endet es, “Das Geheimnis des Lebens ist Kunst!” Wilde hat Paters Lektion gemeistert.
Er fährt fort zu schreiben, obwohl seine Dandy-Persönlichkeit und sein verbaler Geist sich als unvergesslicher als seine Verse oder Prosa erweisen sollten. Sein brilliantes The Importance of Being Earnest lehrt uns auch die genau entgegengesetzte Lektion: Die Wichtigkeit, etwas anderes, als das eigene Ich zu sein; darüber, aufrichtig zu sein beim Abtun der Aufrichtigkeit. Bezeichnenderweise ist sein bestes Werk ein Theaterstück: Für Wilde war das Leben eine dramatische Aufführung. Damit nahm er Charlie Chaplin, Marcel Duchamp und Harry Crosby vorweg. Der erste von diesen erschuf von sich selbst das einzige Bild, das im universalen Reiz mit dem Image von Mickey Mouse rivalisieren kann; der zweite machte aus Stille und Inaktivität Arten von Aktivität und Ausdruck, die Rimbauds Entscheidung wiedergeben, mit dem Schreiben im Alter von neunzehn Jahren aufzuhören. Der dritte, im Paris des Picasso lebend, brachte es zur Reputation eines Künstlers ohne ein Künstler zu werden. Jeder hat eine Myriade Nachfolger. Wir müssen uns erinnern, dass nicht alle Dandys unvergesslich sind. “Das eigene Ding zu machen,” wurde nun zur Standardprozedur für Jeden.
An der Schwelle zum zwanzigsten Jahrhundert wird, was ein radikaler Ansatz war, die Literatur der Erfahrung, plötzlich zur Konventionalität. Von aller gültigen Literatur wird von da ab angenommen, dass sie auf Erfahrung beruht. Wir bekommen einen Begriff dieser Versteinerung der lebenden Kreatur in einer Charakterisierung von Conrad von 1899 über sein eigenes Werk aus diesem Jahr. “Heart of Darkness,” sagt er, “ist auch Erfahrung, aber es ist Erfahrung, die ein bisschen . . . über die eigentlichen Fakten des Falles erweitert worden ist.” Dass eine degradierte Erfahrung, die in der Theorie dieses Anwenders seiner Ansicht nach die philosophische Erfahrung zurücksetzt, ist aufschlussreich. Für was wird Erfahrung “über die eigentlichen Fakten hinaus erweitert,” wenn nicht wieder für den Roman, der bald zu einer Erzählung der romantischen Einbildungskraft wird, wenn nicht schon lange zur literarischen Standardkost.
In der Zwischenzeit, an der philosophischen Front, regt Yeats, obwohl selbst kein Philosoph, zu der Herausforderung an, wie Pater es getan hatte, etwas zum Diskurs beizutragen. Eine Dekade nach Conrad wird er in einem Tagebucheintrag fragen: “Ist nicht Leben Kampf der nackten, unbewaffneten und ängstlichen Erfahrung, die aber unsterblich ist gegenüber generalisierenden Gedanken?” Sein Gefühl ist wieder eine Popularisierung, hier im Kampfe der ersten romantischen Idealisten, über das orthodoxe Denken der Aufklärung hinwegzukommen. Einerseits ist Yeats hinter den Zeiten zurück, aber dadurch, dass er dem allgemeinen Leser schmeichelt, führt er ihn in die Welt der fortgeschrittenen Ideen. Während er die Verlagerung der Erfahrung in die Geschichte im neunzehnten Jahrhundert rekapituliert, fügt er hinzu, dass “persönliche Geschichte das Entgegengesetzte zur Weltgeschichte ist. ” Wir sehen alle Künste und Gesellschaften von der Erfahrung her kommen, das müssen wir sagen, nicht mit dem, was wir ihre “Resultate” nennen, die Verallgemeinerungen sind, sondern mit ihrer Präsenz, ihrer Energie.” Geschichte ist dass für Yeats und contra Aristoteles Verallgemeinerung; für ihn und seine modernistischen Kollegen wir ihre Neubelebung, ihre erneute Wiedergabe als Erfahrung die festgelegte Aufagebe sein. “Jede Kunst, die gut ist,” beschliesst Yeats, “ist Erfahrung, jede populäre, schlechte Kunst Verallgemeinerung.” Die flüchtige Idee, festgehalten, hat sich zu einer Doktrin verhärtet.
Während der frühen Jahre des Jahrhunderts übernehmen in London zwei Amerikaner die Führung des modernistischen Programms. Ezra Pound richtet sich nach Walter Pater, zeigt uns in der Praxis, wie man Geschichte erfahrbar macht und wie Erfahrung geschichtlich. Sein jüngerer philosophischer Komplize erweitert in seiner Dissertation über F.H. Bradley die hohe Doktrin der Erfahrung aus. Er identifiziert das Problem in Kants ersten Schritt, wenn wir einmal die Welt in Subjekt und Objekt geteilt haben, beobachtet er, können wir nie mehr zu einem einheitlichen Wissen oder Erfahrung zurückkehren. Kant hatte schon, als eine Konsequenz des Humeischen Skeptizismus, dass das, was wir erfahren, das Ding-an-sich ist und hatte schliesslich angefangen, sich auf die Kategorien zu konzentrieren, von denen er fühlte, dass sie unser Denken determinieren und irgendwie realer als Realität sind. Bradley untersuchte den subjektiven Idealismus von Hegel und Nietzsche nur, um sich laut zu fragen, ob etwas wie das Subjekt tatsächlich in unserem Denken erscheint. Dann geht er zurück, um Kants Kategorien in Frage zu stellen, um den Vater des modernen Denkens zu verspottten, dass er uns vor dem Aberglauben nur dadurch gerettet hat, indem er noch mehr Aberglauben erschuf. Am Standard von Bradley ist Pater rückwärtsgewandt, sein Traum von einer echten Welt, die aber nichts als wieder Colerdiges wesentliche Einbildungskraft ist, in der neuen Gestalt des subjektiven Idealismus. Bradley beabsichtigt, das eigentliche Konzept des Ichs zu dekonstruieren.
Hierin folgt Eliot ihm. Stellt die romantischen Dichter genau wie ihre philosophischen Gegenspieler in Frage, er bewegt sich über die idealistische Epistemologie hinaus, um zu behaupten, dass wir Realität nur durch unmittelbare Erfahrung erhalten, deren Priorität über Objekt und Subjekt er beteuert. Die Zeit entlassend als nicht kontinuierlich und deshalb illusorisch, ergänzt er Bradleys Auflösung des Subjekts mit seiner eigenen des Objekts. In diesem Prozess vernichtet er Ich und Seele. Die einzige weitere philosophische Bewegung, die bleibt, ist die existenzialistische. Sartre schlägt vor, dass wir nicht mit der Essenz, sondern mit der Existenz selbst beginnen sollten. Wir arbeiten immer noch die Probleme dieser Aussage heraus. Bis wir klar sehen, wo wir angekommen sind, können wir diese Schule des Denkens nicht vertrauensvoll auf die zeitgenössische Literatur mit ihren Entwicklungen anwenden. Bis jetzt verstehen wir kaum die Bedeutsamkeit des Modernsimus, viel weniger, als die späteren Bewegungen.
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